Sinn ist gerade total angesagt. Alles muss Sinn machen: nicht nur der Job, sondern auch, was das Unternehmen selbst angeht. Letztens habe ich etwas gelesen von „Purpose-driven companies“, der Name ist Programm. Da wäre mir ehrlicherweise als erstes die Müllabfuhr eingefallen. Ich kenne fast kein Unternehmen, dessen Tätigkeit sinnvoller ist. Vielleicht noch Zahnärzte. Oder die Produzenten dieser kleinen Filzteilchen, die man unter die Möbel klebt, damit das Parkett nicht zerkratzt. Ohne die wäre ich aufgeschmissen.
Spaß beiseite: Sinn im Leben ist okay, auch im Job. Aber ich muss etwas dafür tun. Ich muss raus, was riskieren, mich überwinden – und manchmal Opfer bringen. Es gibt ja so Kyrie-Coaches, die stimmen das Loblied des anstrengungslosen Sinns an: „Finde den Job, den du liebst, und du musst nie mehr arbeiten.“ Oder: „Du kannst alles werden, was du willst. Du musst es nur wollen.“ Und der süße Schmetterling flog sachte über die sonnige Blumenwiese.
Das ist Bullshit, und jeder weiß es. Ich halte es eher mit Vince Lombardi, dem größten Football-Trainer aller Zeiten:
Ich glaube fest daran, dass die größte Stunde eines Menschen, die größte Erfüllung von allem, woran er glaubt, der Moment ist, in dem er für eine gute Sache bis zum Ende gekämpft hat und erschöpft auf dem Schlachtfeld liegt – als Sieger.
Auch wenn das ein bisschen nach Blut, Schweiß und Tränen klingt: Erfolge wollen erkämpft werden. Das Risiko des Scheiterns und das Glück des Erfolgs sind Zwillinge. Diese Tatsache scheint mir in der ganzen Sinn-Diskussion etwas unterzugehen. Sinn ja, aber am besten mit einem definierten „path to success“ und kleinen, aber stetigen Erfolgsschritten. Persönliches Wachstum inklusive.
Die Suche nach dem beruflichen Sinn aber funktioniert nur, wenn du echte Risiken eingehst und auch mal ungewöhnliche Sachen machst, „die Komfortzone verlässt“, wie man so schön sagt:
- Beobachte dich auf der Arbeit zwei Wochen lang: Wann fühlst du dich lebendig? Bei welchen Aufgaben und in welchen Situationen denkst du „Wow, mehr davon!“? Das gibt dir wertvolle Hinweise darauf, welche Fähigkeiten du hast, ob sie mit deinen Tätigkeiten matchen, welches Umfeld du brauchst etc.
- Beantrage einen „Lerntag“ in einer Abteilung, die dir völlig fremd ist. Wenn du im Marketing bist, geh‘ in die Buchhaltung. Wenn du in der IT arbeitest, geh‘ in die Personalabteilung. Wenn man dich fragt, was das soll, murmel‘ etwas von „Cross-functionalen Teams“ und „Agilität“ und sie lassen dich durch. Die Lerneffekte sind auf beiden Seiten enorm.
- Fordere Aufgaben aktiv ein. So wirst du als jemand wahrgenommen, der die Initiative ergreift. Und wer die Initiative ergreift, kann irgendwann auch delegierte Aufgaben in Frage stellen – weil der Chef weiß, dass du dir bei der Entscheidung etwas gedacht hast.
- Beantrage deine Teilnahme an Konferenzen, Events, externen Workshops. Das erweitert deinen Blick, vermittelt dir tolle Kontakte und Erkenntnisse, die du in deine Arbeit einspeisen kannst und sorgt dafür, dass du besser einschätzen kannst, was du beruflich willst und was nicht.
Wer beruflichen Sinn sucht, muss also nicht gleich den Job kündigen. Aber hier glit das Gleiche wie für die Sinnsuche innerhalb des alten Jobs. Du musst Risiken eingehen. Zu mir kommen manchmal Menschen ins Coaching, die wollen einen neuen Job, einen echten Sinn in ihrer Arbeit. Das finde ich erstmal gut, aber wenn ich reinbohre, stellt sich heraus, dass viele keine Opfer für diese neue Chance bringen wollen. Mal ist die Aufgabe toll, aber das Gehalt zu wenig. Oder man könnte für den Superjob umziehen (man ist Single und kinderlos), will aber nicht. Etcetera pp. Immer ist irgendwas. Viele scheuen das Opfer, das Risiko. Und da muss ich leider sagen: Sorry, so läuft das Leben halt nicht. Du kriegst nicht immer alles, was du willst. Und wenn du etwas willst, musst du dafür kämpfen, musst eventuell Opfer bringen. Das gefällt nicht jedem. Auch das ist okay. Aber dann bitte nicht darüber jammern, dass der Beruf fad schmeckt. Das ist dann eben so. Wer Sinn finden will, muss Opfer bringen.