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Channel: Markus Väth
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Querfront-Thema Grundeinkommen

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Im aktuellen SPIEGEL streiten ein Wirtschaftsprüfer (pro) und ein linker Gewerkschaftsfunktionär (contra) über das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Und wie bei vielen Gesprächen rund um das BGE fällt auf: Der linke Abwehrreflex gegen alles Neue sitzt. Man könnte annehmen, dass sich das BGE mit dem Grundgedanken der Solidarität, der Umverteilung und der Befreiung aus der „Knechtschaft der Lohnarbeit“ für das linke Spektrum als ideales, vereinigendes Thema anbieten würde. Doch weit gefehlt.

Stattdessen trudelt das Thema in Form einer Querfront durch alle politischen Lager. So schreibt beispielsweise ein FDP-Wirtschaftsprofessor unter dem Titel „Radikal gerecht“ ein Buch FÜR das BGE; der New-Work-Begründer, der eher linke Philosophie-Professor Frithjof Bergmann, lehnt das BGE als „entsetzlich dumm“ radikal ab. Und auch Gewerkschafter (wie der Interviewpartner im SPIEGEL) zeigen deutliche Ablehnung. Warum ist das so? Gerade bei Gewerkschaftern und Linken würde ich gefühlt eine größere gedankliche Nähe und eine positivere Haltung zum BGE erwarten.

Diese zunächst überraschend erscheinende Haltung von Gewerkschaftern und linken Funktionären lässt sich erklären: Mit dem BGE bricht den Gewerkschaften die Kontrolle über die Arbeitnehmer weg. Wer braucht noch Gwerkschaften, die für faire Löhne kämpfen, wenn man BGE-abgesichert einfacher als heute den Arbeitgeber wechseln kann? Oder, noch schlimmer, die einst „Beschützten“ würden auf einmal bei den Gewerkschaften mitreden wollen, wie denn der Schutz genau aussehen solle oder wenn sie das Gewerkschaftswesen an sich verändern wollten? Diese Emanzipation ihrer „Herde“ passt nicht ins Weltbild vieler Linker, die sich als kämpfender „Retter“ der arbeitnehmenden „Opfer“ verstehen.

Als zweites wohnt der linken politischen Sphäre immer latent der Wunsch nach Kontrolle der Massen inne. Die Menschen sollen gesteuert, geregelt und, wenn nötig, zu ihrem Glück gezwungen werden. Sichtbar wird das beispielsweise an der in Deutschland links dominierten Schulentwicklung seit den Siebzigern. Alles, was irgendwie nach Exposition oder Elite roch, wurde strukturell eingestampft und galt als böse. Die Linken damals rechtfertigten das mit den berüchtigten NaPoLa-Schulen der Nazis, die sich, wie die gesamte Nazi-Zeit, „nie wiederholen sollte“. Doch was als ehrenwerter Impuls begann, endete für das deutsche Schulsystem letztlich im Desaster: Jedes Niveau wird abgebügelt, bis alle reinpassen. Außergewöhmliche Begabungen landen frustriert im Durchschnitt oder in der Privatschule. Ein System zur durchdachten Förderung von Spitzentalenten schon in der Schule haben wir Deutschen nicht entwickelt, und das ist politisch durchaus so gewollt.

Der Gleichschaltung der Schule soll nach linkem Denken die Gleichschaltung der Arbeitswelt folgen: Der böse Arbeitgeber hier, der gute Betriebsrat da. Mit solch einfachen Weltbildern versucht man dann, möglichst alle Arbeitenden über einen Kamm zu scheren, unter Kontrolle zu bringen und zu halten. Dass die Gewerkschaften dabei jedoch gegen Windmühlen kämpfen, zeigt sich in den sinkenden Mitgliederzahlen und in der öffentlichen Präsentation, die manchmal seltsam aus der Zeit gefallen scheint. Die Gewerkschaften zerreißt es zwischen den Umwälzungen der Arbeitswelt aus Clickworking, flexiblen Arbeitsmodellen, schnelldrehender Wirtschaft und anderen Phänomenen. Dafür müssten sie nicht gleich Lösungen anbieten; das erwartet niemand. Doch immerhin sollten sie ihr Denken für neue Lösungen zumindest öffnen. Dass sie das oft nicht können, zeigt sich exemplarisch in den Statements des Gewerkschafters im SPIEGEL-Interview.

Dass sich konservative Politiker und Wirtschaftsvertreter nicht mit dem BGE anfreunden können, lässt sich psychologisch leichter erklären: Erstens glaubt dieser Personenkreis an die Kopplung von Geld als Leistungs- und Anerkennungsfaktor Nummer eins. In der Wirtschaftssphäre sei nunmal Geld das Maß aller Dinge, also auch als Maßzahl für Leistung, deren Belohung und sozialer Anerkennung. Zweitens werden Menschen dort oft als extrinsisch motiviert betrachtet: Ein Esel (bzw. Mensch) rennt halt nur, wenn man ihm eine Karotte (oder einen Geldbeutel) vor die Nase hält. Nach dieser Philosophie bricht mit dem BGE die zentrale psychologische Motivation der Wirtschaftswelt zusammen; die Konsequenz wären Faulheit, Anarchie und der Zusammenbruch des Wirtschaftssystems.

Sowohl im linken wie auch im konservativen Lager gibt es Befürworter und Gegner des BGE. Als klassische Querfront ziehen sich die Lager durch politische Parteien, Verbände, Unternehmen, die Presse, sogar Familien. Doch von allen Querfront-Lagern enttäuschen mich Linke und Gewerkschafter am meisten. Man kann in Diskussionen, Talkshows und Artikeln immer wieder beobachten, dass sich bei Linken das traditionelle Geld-Denken der Konservativen mit geistiger Unflexibilität und der Angst vor Kontroll- und Bedeutungsverlust zu einer lähmenden Angstneurose vermischt.

Ob man das BGE nun für richtig oder falsch hält: Die Debatte hätte mehr Ehrlichkeit und Selbstreflexion von allen Seiten verdient.


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