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Channel: Markus Väth
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Systemfehler

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Bild eines Computermonitors

Ab und zu komme ich in die Verlegenheit, ein Paket verschicken zu müssen. Ja, ich weiß, selbst schuld. Aber ich glaubte eben an das Gute im Menschen und an die Zuverlässigkeit der Deutschen Post. Wobei ich mir beim zweiten nicht sicher war. Ich weiß nicht, ob Einstein schon Erfahrungen mit der Deutschen Post gemacht hatte, als er verzweifelt ausrief: „Es gibt nur zwei Dinge, die unendlich sind: das Universum und die menschliche Dummheit. Beim Universum bin ich mir allerdings nicht ganz sicher.“

Das Einsteinsche Universum probiert an mir manchmal interessante Probleme aus. Ich bin sowas wie der Testkäufer Gottes. Funktioniert eine Sache bei mir, kann man sie auf die Welt loslassen. Womit wir wieder bei meinem Paket wären. Ich tat, was alle Menschen tun, die ein Paket verschicken: Ich ging auf die Post, beschriftete Absender und Empfänger, klebte auf und bekam eine Sendungsnummer. Danach spazierte ich in den lauen Frühlingsabend hinaus.

Acht Tage später meldete sich der Empfänger: Das Paket sei noch nicht da. Ob denn die Sendungsnummer stimme? Ich erspare dem Leser das Recherchedrama des dritten Aktes und komme gleich zum Höhepunkt: Die Mitarbeiterin der Postfiliale hatte vergessen, den Klebezettel mit der Sendungsnummer auf mein Paket zu kleben. Am nächsten Tag griff sich eine weitere Mitarbeiterin den Zettel und klebte ihn auf ein anderes Paket. Eine simple Verwechslung ohne dramatische Folgen, könnte man meinen. Womit niemand gerechnet hatte – ich am allerwenigsten – war die Blindheit des Kundensystems Post. Und die zeigte sich fast unmittelbar.

Erster Versuch. Das Kontaktformular der DHL fordert zwingend eine Sendungsnummer. Wäre toll, nur ging es in meinem Fall ja genau darum, keine Sendungsnummer zu haben bzw. eine für ein völlig anderes Paket. Trotzdem füllte ich sklavisch alle Felder aus und lud sogar meinen gescannten Einlieferbeleg (mit Anmerkungen!) hoch. Ergebnis: Die DHL teilte mir mit, mein Paket – das eben nicht meines war – sei wohlbehalten in Flensburg angekommen. Ich freute mich für den Flensburger Empfänger und stellte eine Kerze für meinen Empfänger in Hannover auf.

Zweiter Versuch. Nachdem ich auf der DHL-Seite keine Kunden-Telefonnummer gefunden hatte (allein diese Suche kostete mich eine Stunde und zwei Flaschen Grappa), fand ich auf einer externen Selbsthilfe-Seite eine Servicenummer der DHL. Flugs angerufen, stellte ich fest, dass man den Sprachroboter nur mit Eingabe einer Sendungsnummer besiegen kann. Eine Eingabe brachte natürlich nur ein „Erfolgreich zugestellt! Schönen Tag noch!“

Dritter Versuch. Das nächste Mal war ich schlauer und wählte den Menupunkt „Reklamation“. Und es war sogar ein echter Mensch am Telefon! Durchaus sympathisch erläuterte er mir, dass er da leider gar nichts machen könne. Nur ein Nachforschungsauftrag bliebe da noch. Den hatte ich allerdings (siehe erster Versuch) schon per Mail gestellt – mit der Antwort „Erfogreich zugestellt! Schönen Tag noch!“

Für mich liegt hier der Fehler im System. Die DHL ist anscheinend nicht auf den Fall vorbereitet, dass ein Paket keine Sendungsnummer hat. Die Erfinder des DHL-Kontaktformulars, der DHL-Hotline und des DHL-Nachforschungsauftrags ziehen anscheinend überhaupt nicht in Betracht, dass ein Paket ohne Sendungsnummer umherirrt. Ein klassischer Systemfehler. Und man endet wie der Buchbinder Wanninger im Kreis des bürokratischen Un- und Wahnsinns. Fragen, auf die ich keine Antworten bekommen habe: Wo ist mein Paket? Was passiert jetzt damit, da es keine Sendungsnummer hat? Wird es an mich zurückgeschickt? Wenn ja, wie lange dauert das?

Ein Unternehmensprozess ist nur dann ein guter Prozess, wenn er flexibel auch auf ungewöhnliche Vorkommnisse reagieren kann. „Dynamikrobust“ nennen Organisationsentwickler diese Eigenschaft. „Resilient“, anpassungsfähig an die Umwelt, träfe es auch ganz gut. Die Umwelt, das ist der Kunde, und dem sollte man sich anpassen können. Auch wenn er keine Sendungsnummer hat.

Photo © Martin Litkel | Freeimages.com


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