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Channel: Markus Väth
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Der feuchte Traum eines jeden Beraters

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Bild eines Kettenpanzers

Stellen Sie sich vor, es klingelt an Ihrer Haustür und jemand will Sie als Berater engagieren. Ist doch schön. Noch schöner, wenn Sie tatsächlich Berater sind (muss ja nicht zwingend der Fall sein). Und am schönsten ist es, wenn Sie dafür 300 Milionen Euro in die Hand gedrückt bekommen. Soviel nämlich will Frau von der Leyen, die Ministerin mit der Haartracht aus Stahl, externen Beratern für die Reform der Bundeswehr zahlen, genauer: für die Überprüfung von Rüstungsvorhaben und die Neuorganisierung von Rüstungsgütern. Insgesamt, so schreibt die ZEIT, handele es sich „um den wohl größten Beraterauftrag in der Geschichte der Bundesrepublik“. Der feuchte Traum eines jeden Beraters.

Das Anstößige ist nicht der Preis

Jedoch: Wir wollen mal dahingestellt lassen, ob die 300 Millionen Euro zuviel des Guten sind. Auch für die Beratung gilt: Qualität hat ihren Preis. Nicht alles, was teuer ist im Beratungsmarkt, muss überteuert sein. Solange man sein Gewissen nicht an der Garderobe abgibt und ehrlich sagen kann: „Ich tue mein Bestes zum Wohle des Kunden“, darf man mir auch gerne hohe Honorare zahlen. Das Anstößige ist daher nicht der Preis – auch wenn 300 Millionen ein Menge Steine sind.

Der Kunde darf nicht entmündigt werden

Wenn die 300 Mio. kein Problem sind, warum regt sich der Väth dann so auf? Ich sage es Ihnen: Es gibt „frische“ Aufträge und es gibt „verdorbene“ Aufträge. Der Bundeswehr-Auftrag ist letzteres. Er ist der klassische Fall, für den Berater gehasst werden: Der Auftraggeber holt den Berater, um die eigene Organisation zu entmündigen. Ein Todesstoß für die Moral und eine Bankrotterklärung für das Management (womit wir wieder bei Lady Helmchen wären). Es werde, so die ZEIT, „eine Nebenorganisation zu jener Behörde aufgebaut, die eigentlich für Rüstungsbeschaffung zuständig ist: das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung in Koblenz. Die Behörde mit 9.000 Beschäftigten solle entmachtet werden [..].“

Um es klar zu sagen: Eine Organisation, die ihre Aufgaben nicht mit hinreichenden eigenen Kräften erledigen kann, hat ihr Existenzrecht verwirkt. „Hinreichend“ bedeutet, dass für Spezialfälle (zum Beispiel Change- oder New Work – Projekte) punktuell Berater ins Haus geholt werden können. Aber die leisten Hilfe zur Selbsthilfe und verflüchtigen sich nach einer definierten Zeitspanne. Ein Vorhaben wie die Errichtung einer „Berater-Schattenorganisation“, die die Bundeswehr jetzt anscheinend verhat, erfüllt diese Bedingung in keiner Weise.

Was New Work von klassischer Beratung unterscheidet

New Work als Philosophie folgt eher dem Coaching- als dem klassischen Beratungsansatz. Ein klassischer Berater bezeichnete ein Beratertreffen einmal scherzhaft als einen „temporären Club von Besserwissern“. Man lächelt, aber in jeder Ironie stecken bekanntlich 50 % Wahrheit. Der klassische Berater gießt seine Weisheit gnädig über seine Kunden aus.

New Work geht dagegen von den Selbstkorrektur- und den Selbstheilungskräften der Organisation aus. Jede Analyse, jede Kommunikation, jede Intervention muss alle drei Ebenen einer Organisation im Blick behalten: Kultur, Verhalten, Struktur. Auf irgendeine Weise macht es für die Organisation Sinn, wenn Mitarbeiter Prozesse über den Haufen werfen. Auf irgendeine Weise macht es für die Organisation Sinn, wenn die Stimmung im Keller und die Fluktuation hoch ist. Dann braucht der New Work – Berater keine BCG-Matrix, sondern muss Zusammenhänge erkennen, zwischen den Zeilen lesen und abwägen, was man der Organisation zumuten kann – und was nicht. Kettensäge ist nicht angesagt.

Ruf! Mich! An!

Liebe Frau von der Leyen: Ich wäre entzückt, für Sie die Bundeswehr zu reformieren. Ganz ehrlich. Ich verspreche keine Wunder. Aber ich nehme Ihre Leute ernst und wecke die Kompetenz- und Selbstkorrekturkräfte in Ihrem Haus. Ich finde Ideen und Chancen da, wo andere meist nur Probleme sehen. Und das für garantiert weniger als 300 Millionen – aber nicht für viel weniger. 🙂


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