Es gibt Berater, die mögen ihre Kunden nicht mal. Ich kenne einen Kollegen, der rotzt seine Erkenntnisse dem Kunden absichtlich hin, tritt ihm – um einen Fußballvergleich zu bemühen – sozusagen aus der Tiefe des Raums mit Anlauf in die Eier. Das ist seine Methode, um das Hirn des dummen Kunden mit der Brechstange aufzuhebeln und seine eigene Weisheit reinzukippen. Natürlich verursacht er damit einen großen Flurschaden, aber das kümmert ihn nicht. Wer nicht will, der hat schon – so seine Devise. Und solange das Geschäftsmodell für ihn funktioniert, wird er es auch nicht ändern. Warum auch?
Kunden überwältigen im Mutti – oder Rüpel-Stil
Natürlich ist das ein Extrembeispiel, aber eines, das, wie ich glaube, in milderer Form gar nicht so selten in der Berater-Szene ist. Egal, ob man eher auf das nasse Handtuch im Gesicht setzt oder auf den besorgten Mutti-Ton: Wir Berater haben die Überzeugung verinnerlicht: Ich weiß es besser. Sonst würden wir ja nicht beraten. Und es gibt da immer diesen kleinen Mann im Ohr, der sagt: Der Kunde wird es schon noch einsehen. Braucht einfach seine Zeit. Und wenn Sie das hier lesen, Berater sind und denken: Nein, SO eine Haltung habe ICH doch nicht, dann belügen Sie sich selbst. Meine Meinung.
New Worker sind auch nicht besser als der Rest
Auch die New Work – Szene ist mit dieser arroganten Haltung unterwegs. Hey, ihr Unternehmen, glaubt uns doch! Wir haben die neue Zeit, das NEW WORK, und ihr sollt jetzt gefälligst mal zuhören! Dann wird alles besser, echt jetzt! Mann! Bei LinkedIn und Facebook jazzt sich die New Work-Beraterszene regelmäßig hoch. Nicht immer mit Klagen über uneinsichtige Kunden; das geht auch raffinierter: mit beseelten Sinnsprüchen, neuen Blasen-Buzzwords und Community-Events (bei denen in der Regel ÜBER Kunden gesprochen wird und nicht MIT ihnen).
Augenhöhe gern – solange es nicht die Kunden sind
Übrigens fasse ich mir hier auch an die eigene Nase. Ich bin auch manchmal verliebt in meine eigenen Modelle, Gedanken oder denke im Kundengespräch vielleicht: Warum sieht er das und das nicht? Gott sei Dank besinne ich mich dann relativ schnell: Markus, das ist jetzt DEINE Meinung. Respektiere den, der da sitzt. Er hat auch seine Erfahrung gemacht und ein Recht auf SEINE Perspektive. Ich glaube, dass diese sogenannte „Augenhöhe“ im Berater-Umfeld fehlt. Es ist ja eine triefende Ironie, dass diese Vokabel in der New Work – Szene herumgereicht wird wie keine andere, man dem Kunden gegenüber aber oft eine andere Einstellung hat!
Argumentieren, nicht moralisieren
Also: Liebe Berater, bitte nicht so arrogant! Ihr tut euch und dem Kunden keinen Gefallen. Legt lieber eine Coaching-Haltung an den Tag: Ich bin okay, du bist okay. Auf dieser Basis kann man weiterarbeiten (und nicht im Stillen an der Geistesmanipulation des Kunden arbeiten, weil man seine eigene Sicht für die bessere hält). Denn das Gefährliche ist, dass man gerade im New Work das Moralische, das Sinnvolle, das Zukunftsweisende auf seiner Seite wähnt. Aber wer Moralisierung mit Argumentation verwechselt, ist nicht diskursfähig, sondern überzieht andere mit Tugendterror. Und das hat kein Kunde verdient.